Hegel

Hegel in Bamberg  
Pfahlplätzchen 1 (Haus zum Krebs)
Haus zum Krebs
Haus zum Krebs: Hauszeichen
Das ehemalige Haus zum Rebstock und spätere Haus zum Krebs (heute: Pfahlplätzchen 1) stammt in seiner heutigen Ausstattung aus dem Jahr 1715, ist aber wesentlich älter. Der Eckerker ist schon auf dem Zweidler-Plan [1] von 1602 zu erkennen. Das Hauszeichen des Krebses prägt den Giebel des Hausportals.

Am Haus zum Krebs (Pfahlplätzchen 1) befindet sich folgende Inschrift zur Erinnerung an die Bamberger Zeit des großen Philosophen Georg Friedrich Wilhelm HEGEL (1770-1831):
Haus zum Krebs: Hegel-Gedenktafel
IN DIESEM
HAUSE WOHNTE
1807-1808 DER PHILOSOPH
GEORG FRIEDRICH WILHELM
HEGEL
ALS REDAKTEUR DER BAMBERGER
ZEITUNG UND VOLLENDETE HIER
SEIN ERSTES HAUPTWERK
DIE PHAENOMENOLOGIE
DES GEISTES
Nach der Schließung der Universität Jena infolge des Sieges der Franzosen in der Doppelschlacht von Jena und Auerstädt am 13. Oktober 1806 über Preußen übernahm Hegel  vom März 1807 bis November 1808 die Redaktion der Bamberger Zeitung.
Diese Tätigkeit kam einerseits seinem Interesse an der Politik, den "Weltbegebenheiten", sehr entgegen, andererseits bedeutete sie wegen der scharfen Zensur, die seinem Bemühen um kritischen Journalismus und seiner pronapoleonischen Einstellung entgegenstand, eine große Belastung. In dieser Zeit veröffentlicht Hegel die Phänomenologie des Geistes, d.h. die Wissenschaft des erscheinenden Bewußtseins. Das Buch ist das Ergebnis seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit in Jena, in dem er eine ganz eigene Begrifflichkeit entwickelt.
"Die "Phänomenologie des Geistes" war ursprünglich als Lehrbuch gedacht. Hegel wollte die Vorlesungen, die er in Jena gehalten hatte, im Zusammenhang und systematisch darstellen. Das ist ihm nicht gelungen, denn die "Phänomenologie" ist alles andere als ein Lehrbuch. Was ist sie dann? Sie ist "ein so vielschichtiges, reiches Buch, daß es unmöglich ist zu sagen, was sie "ist", außer daß es ein absolut originelles Werk ist - es gibt nichts Vergleichbares in der philosophischen Literatur" (Helferich 1985, S. 210).
"Phänomen" heißt "Erscheinung", "Phänomenologie des Geistes" kann man mit "Wissenschaft von den Erscheinungsweisen des Geistes, des Bewußtseins" übersetzen. Worum geht es in diesem Buch? Die Erkenntnis der Dinge ist das Resultat von Denkarbeit, sie kommt zustande in einem Prozeß, in dem immer zwei Seiten vorhanden sind, nämlich Subjekt und Objekt. Subjekt und Objekt sind Gegensätze, aber sie sind auch, auf höherer Ebene, eine Einheit. Objekte ohne erkennende Subjekte gibt es nicht, ebensowenig Subjekte ohne Objekte (z. B. kein "ich" ohne "du"). Die Erkenntnis der Wahrheit liegt in der vermittelnden Einsicht, daß Subjekt und Objekt wechselseitig bedingt sind, im Prozeß der Erkenntnis wie in der Realität.
Diese Überlegungen lassen sich auch auf die Geschichte anwenden. Wir reden heute gern von Weltbildern, wenn wir ausdrücken wollen, daß die Menschen zu bestimmten Zeiten bestimmte gemeinsame Vorstellungen, Überzeugungen, Gewißheiten hatten. Wir sprechen vom mittelalterlichen Weltbild, wenn wir darüber sprechen wollen, daß ein Mönch des 12. Jahrhunderts bestimmte Vorstellungen von der Welt, von Gott, vom Aufbau der Gesellschaft, vom guten Herrscher usw. hatte. Hegel spricht hier davon, daß der Geist, der sich in diesem Weltbild ausdrückt, eine bestimmte Entwicklungsstufe auf einer historischen Stufenleiter erklommen hat. Die Reformation brachte dieses Weltbild in eine Krise und veränderte es, ebenso die Aufklärung und später die idealistische Philosophie.
Der Geist als Weltgeist ging aus allen diesen Krisen gestärkt und reicher hervor. Jedes dieser Weltbilder, jede dieser Bewußtseinsformen hat ihre Berechtigung, ihre geschichtliche und die Möglichkeiten der Erkenntnis betreffende "Wahrheit". Das Ziel der Geschichte ist erreicht, wenn dieser Prozeß, in dem immer höhere Stufen der Möglichkeit von Erkenntnis erreicht werden, zu seinem Ende kommt und das "absolute Wissen" erreicht ist - Hegel nennt das "den sich wissenden Geist".
Der Geist arbeitet sich mühsam durch die Weltgeschichte, erreicht immer höhere Stufen der Erkenntnis (auch zwischenzeitliche Rückschläge sind möglich), bis er zu sich selbst kommt, bis er bei sich ist. "Er weiß um alle Widersprüche und weiß zugleich, daß sie nur Schein sind, Einseitigkeiten, die im dialektischen Prozeß des Ganzen ihren Platz und ihre Wahrheit finden." (Helferich 1985, S. 211)
Hegels "Phänomenologie" ist ein sehr optimistisches Buch - es lehrt, daß dem Menschen die Fähigkeit gegeben ist, zu immer höherer Wahrheit zu finden, und daß sich schließlich der Geist mit der Welt versöhnen wird in einer definitiven Synthese, in der alle Widersprüche vermittelt sind. Auch deshalb nennt man seine Philosophie mit Recht idealistisch.
Mit ironischer Hochachtung äußert sich der Bamberger Mundartdichter Gerhard C. Krischker über Hegel und E.T.A. Hoffmann:  
UNNÄRA BÄRÜMDHAIDN
e.t.a. hoffmann & g. w. f. hegel
dä a hodd
alla dooch sain bläddära kobbd
deä annä hodd
undn bfoalblädsla
än kommunismus eäfunna
fai niggs bärümbds
Gerhard C. Krischker
Versuch einer Prosa-Übertragung ins Hochdeutsche:
Unsere Berühmtheiten
E.T.A. Hoffmann & G. W. F. Hegel
Der eine hatte
alle Tage einen Vollrausch,
der andere hat
unten am Pfahlplätzchen
den Kommunismus erfunden.
Wirklich nichts Berühmtes!
Anmerkung:  
[1] Das Pfahlplätzchen ("Jüdenplatz") auf dem Zweidlerplan von 1602:
Zweidlerplan (1602): Eckerker am Haus Pfahlplätzchen 1
Der rote Pfeil markiert den Erker am Haus zum Krebs. Die Zeichnung belegt, dass das 1715 barockisierte Haus in seinem Kern wesentlich älter ist.
Quellen:
HELFERICH, C.: Geschichte der Philosophie. Stuttgart: Metzler, 1985; S. 210 u. 211.
KRISCHKER, G. C. (Hrsg.): Bei Gott eine schöne Stadt. Bamberger Lesebuch. Bamberg: Collibri Verlag, 1988; S. 130.
LUTZ, B. (Hrsg.): Philosophenlexikon. Stuttgart: Metzler, 1989.