Egloffstein |
Blick vom Fränkischen Jura oberhalb von Tiefenellern (Gemeinde Litzendorf) ins Bamberger Land. Der schwarze Streifen in der Mitte ist der Hauptsmoorwald; dahinter liegt Bamberg im Regnitzbecken. Die Hügelkette im Hintergrund gehört zu den östlichen Ausläufern des Steigerwaldes, auf denen Bamberg gegründet wurde. Die höchste Erhebung trägt die Altenburg (386 m ü. NN). |
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Bambergam laudat prae cunctis quisque viator | Jeder Reisende lobt Bamberg vor allen anderen Städten |
Et potis est laudes dicere nemo satis | und niemand kann im ausreichenden Maße Lobpreisungen aussprechen. | |
Bamberga, Heinricus multum te Caesar amavit, | Bamberg, Kaiser Heinrich [1] liebt dich sehr, | |
Prae cunctis voluit, laeta sepulcra dares. | vor allen anderen wollte er, dass du Seligkeit verheißende Grabstätten [2] gibst. | |
A fundamentis templum cathedramque locavit, | Er gründete von den Fundamenten aus eine Kirche und einen Bischofssitz. | |
Kaiser Heinrich und seine Gemahlin Kunigunde sind auf der Grabtumba von Bischof Otto, dem Heiligen (1102-1139), als Stifter des Bamberger Domes dargestellt. | ||
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Er brachte dem geweihten Haus würdige Geschenke. [3] | |
Urbem pontifici donavit, ut ipse gubernans | Er schenkte die Stadt einem Bischof [4], um selbst regierend | |
Prodesset populo, qui sua iussa facit. | dem Volk zu nützen, das seine Befehle ausführt. | |
Urbis sceptra tamen tenuit semperque tenebit, | Dennoch hielt er das Zepter der Stadt und wird es immer halten, | |
Proteget et caveant, qui sibi damna dabunt. | er wird sie schützen, und sie sollen sich hüten, ihm Schande zu bereiten. | |
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Aedem fundavit, quam nunquam deseret ipse | Er gründete ein Haus, das er selbst nie im Stich lassen wird, |
Ac urbem pariter, quae sibi fida manet, | sowie gleichermaßen die Stadt , die ihm treu ergeben bleibt. | |
Cuius honorato laudes fac numine Caesar, | Kaiser, bewirke kraft Deiner erhabenen Aura, | |
Civibus ut dignas nunc celebrare queam. | dass ich sie [die Stadt] preisen kann, wie ihre Bürger es verdienen. [5] | |
Omnibus haec praestat quas usquam vidimus urbes, | Diese übertrifft alle Städte, die wir bisher gesehen haben, | |
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Quod reliquae sparsim continet ista simul. | weil diese, was die übrigen nur vereinzelt bieten, in seiner Gesamtheit besitzt. |
O fortunati, quibus hic locus obtigit hospes, | O ihr Glücklichen, denen dieser Ort als Herberge zuteil wurde. | |
Blick auf Bamberg von der Altenburger Straße aus: Deutlich zu erkennen sind der viertürmige Kaiserdom und rechts davor die Karmelitenkirche St. Theodor. Im Hintergrund befinden sich die Berge des Fränkischen Jura. "... o fortunati, quibus hic locus obtigit hospes..." [Vers 31], jubelt Leonhard von Egloffstein. Und Viktor von Scheffel singt im Frankenlied: "Ich wollt', mir wüchsen Flügel!" Nicht viel profaner ist der heutige Beinamen Bambergs "Traumstadt der Deutschen". | ||
Thessalicis Tempe non potiora dedit. | Den Thessalikern [6] gab das Tempetal [7] nichts Besseres. | |
Oblectat cunctos variis urbs inclita rebus, | Es ergötzt alle die berühmte Stadt mit ihren vielfältigen Gaben. | |
Indigenis praebet corpora sana suis, | Den Einheimischen gewährt sie gesunde Leiber. | |
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Huic montes celebri sunt fertilitate scatentes, | Sie besitzt Hügel [8], die glänzen vor vielgerühmter Fruchtbarkeit |
Cum fructu pariter possidet omne decus. | Und mit der Frucht besitzt sie zugleich jegliche Zierde. | |
Labuntur fontes pulchris ex montibus, illic | Es springen Quellen [9] von schönen Hügeln [10], dort | |
Trinken die kastalischen Göttinnen [11] kaum Besseres, | ||
Insuper et laetos spectabis collibus hortos | obendrein kann man üppige Gärten [12] auf den Hügeln erblicken, | |
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Hesperidumque hortis nobilitate pares. | den Gärten der Hesperiden [13] an Vortrefflichkeit gleich. |
Provenit hic Cereris permagnaque copia Bacchi, | Es kommt hier die übergroße Fülle der Gaben der Ceres [14] und des Bacchus [15] hervor, | |
Ruricolis complent horrea plena suis. | ihren Bauern füllen sie reichlich die Scheunen. | |
Exhilarat flumen mirum, quod dividit urbem, | Es erheitert ein wunderbarer Fluß [16], der die Stadt teilt, | |
Haec manet in partes dissita nunc triplices, | ||
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Atque quaterna sedet per aquas sic insula nata, | und auf diese Weise viermal durch das Wasser entstanden liegt da je eine Insel [17], |
Et proprium quaevis insula nomen habet. | ||
"Exhilarat flumen mirum, quod dividit urbem..." (Vers.43; Übersetzung: "Es erheitert ein wunderbarer Fluss, der die Stadt teilt...) - Der Blick über den linken Regnitzarm auf die Fischerei, genannt "Klein-Venedig", ist einer der größten Anziehungspunkte Bambergs. | ||
Pontibus ex binis lintres spectantur in undis, | Von zwei Brücken aus kann man Kähne auf den Fluten sehen, | |
Mercibus has onerant, his animos refovent. | diese beladen sie mit Waren, mit denen beleben sie die Herzen neu. | |
Non procul et Moganus pariter discurrit ab urbe, | Nicht fern von der Stadt fließt auf gleiche Weise der Main, | |
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Piscibus haec urbem flumina grata replent. | mit Fischen füllen diese angenehmen Flüsse die Stadt. |
Alle Genüsse hat die Natur dorthin gebracht, | ||
Et nihil huic desit, quod recreare queat. | Und nichts fehlt dieser, was erfrischen kann. |
[1]
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Kaiser Heinrich: Heinrich II., Heiliger König/ Kaiser (geb. 973, gest.1024), der letzte Herrscher des sächsichen Kaiserhauses , Gründer des Bistums in Bamberg. |
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[2]
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laeta sepulcra (Seligkeit verheißende Grabstätten): Egloffstein spielt hier möglicherweise rückblickend auf die Gräber der Bistumsheiligen an:
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[3]
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munera digna (würdige Geschenke): Hiermit ist der Domschatz gemeint, der im Diözesanmuseum aufbewahrt wird. Besondere Kostbarkeiten aus der Zeit Heinrichs sind:
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[4]
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Bischof: von griechisch episkopos = Aufseher, Hüter, Beschützer: der leitende Geistliche in einem Bezirk (= Bistum); ihm unterstehen die Pfarrer als Leiter der kirchlichen Gemeinden. |
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[5]
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Bei der Übersetzung gehen wir davon aus, dass "Caesar" Vokativ ist.
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6]
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Thessaliker: Volk aus Thessalien; Thessalien ist ein besonders fruchtbares Gebiet in Mittelgriechenland. |
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[7]
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Tempetal: berühmtes Tal des unteren Peneus in Thessalien |
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[8]
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Hügel:
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[9]
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Die Hügel Bambergs gehören zu den östlichen Ausläufern des Steigerwalds. Die Keuperlehme bilden Stauhorizonte, aus denen zahlreiche Quellen entspringen, z. B. der Ottobrunnen. | |||||||||||||
[10]
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vgl. Anm. 7 | |||||||||||||
[11]
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Kastalia: heilige Quelle von Delphi, in hellenist. Zeit Sinnbild der dichterischen Begeisterung. |
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[12]
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Üppige Gärten: Bamberg ist eine Stadt der Gärtner und Häcker (Winzer):
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[13]
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Hesperiden: Töchter das Atlas, die auf einer Insel des Okeanos einen Baum mit goldenen Äpfeln des Lebens bewachen. |
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[14]
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Ceres: altrömische Göttin des pflanzlichen Wachstums |
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[15]
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Bacchus: römischer Gott der Fruchtbarkeit und des Weins |
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[16]
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flumen mirum (wunderbarer Fluss): Bamberg lebte schon immer mit und von der Regnitz. Sie war Wasserweg und Nahrungsquelle; ihr Wasser lieferte Wasserkraft. Die beiden Regnitzarme teilen die Stadt Bamberg auf einer Länge von 5 km in drei wesentliche historische Bezirke: die Bergstadt mit dem Dom, die Inselstadt um St. Martin und die Gärtnerstadt um St. Gangolf (nahe der heutigen Bahnlinie). |
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[17]
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"vierfach durch das Wasser entstandene Insel" (quaterna... per aquas ... insula nata):
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