Egloffstein
Bambergam laudat prae cunctis quisque viator

Der Bamberger Domherr Leonhard von Egloffstein (ca. 1455-1514), Diplomat in Diensten des Bamberger Bischofs und des Kaisers Maximilian, verfasste ein Elegienbuch, in dem er auch das Lob Bambergs ausspricht:
Sonnenuntergang über Bamberg
Blick vom Fränkischen Jura oberhalb von Tiefenellern (Gemeinde Litzendorf) ins Bamberger Land. Der schwarze Streifen in der Mitte ist der Hauptsmoorwald; dahinter liegt Bamberg im Regnitzbecken. Die Hügelkette im Hintergrund gehört zu den östlichen Ausläufern des Steigerwaldes, auf denen Bamberg gegründet wurde. Die höchste Erhebung trägt die Altenburg (386 m ü. NN).


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Bambergam laudat prae cunctis quisque viator Jeder Reisende lobt Bamberg vor allen anderen Städten
Et potis est laudes dicere nemo satis und niemand kann im ausreichenden Maße Lobpreisungen aussprechen.  
Bamberga, Heinricus multum te Caesar amavit, Bamberg, Kaiser Heinrich [1] liebt dich sehr,   
Prae cunctis voluit, laeta sepulcra dares. vor allen anderen wollte er, dass du Seligkeit verheißende Grabstätten [2] gibst.
A fundamentis templum cathedramque locavit, Er gründete von den Fundamenten aus eine Kirche und einen Bischofssitz.
Heinrich u. Kunigunde auf dem Ottograb
Kaiser Heinrich und seine Gemahlin Kunigunde sind auf der Grabtumba von Bischof Otto, dem Heiligen (1102-1139), als Stifter des Bamberger Domes dargestellt.   
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Aedi sacratae munera digna tulit. Er brachte dem geweihten Haus würdige Geschenke. [3]  
Urbem pontifici donavit, ut ipse gubernans Er schenkte die Stadt einem Bischof [4], um selbst regierend
Prodesset populo, qui sua iussa facit. dem Volk zu nützen, das seine Befehle ausführt.
Urbis sceptra tamen tenuit semperque tenebit, Dennoch hielt er das Zepter der Stadt und wird es immer halten,
Proteget et caveant, qui sibi damna dabunt. er wird sie schützen, und sie sollen sich hüten, ihm Schande zu bereiten.
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Aedem fundavit, quam nunquam deseret ipse Er gründete ein Haus, das er selbst nie im Stich lassen wird,
Ac urbem pariter, quae sibi fida manet, sowie gleichermaßen die Stadt , die ihm treu ergeben bleibt.
Cuius honorato laudes fac numine Caesar, Kaiser,   bewirke kraft Deiner erhabenen Aura,
Civibus ut dignas nunc celebrare queam. dass ich sie [die Stadt] preisen kann, wie ihre Bürger es verdienen. [5]
Omnibus haec praestat quas usquam vidimus urbes, Diese übertrifft alle Städte, die wir bisher gesehen haben,
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Quod reliquae sparsim continet ista simul. weil diese, was die übrigen nur vereinzelt bieten, in seiner Gesamtheit besitzt.
O fortunati, quibus hic locus obtigit hospes, O ihr Glücklichen, denen dieser Ort als Herberge zuteil wurde.
Bamberg. Blick nach Osten zum Fränkischen Jura.
Blick auf Bamberg von der Altenburger Straße aus: Deutlich zu erkennen sind der viertürmige Kaiserdom und rechts davor die Karmelitenkirche St. Theodor. Im Hintergrund befinden sich die Berge des Fränkischen Jura. "... o fortunati, quibus hic locus obtigit hospes..." [Vers 31], jubelt Leonhard von Egloffstein. Und Viktor von Scheffel singt im Frankenlied: "Ich wollt', mir wüchsen Flügel!" Nicht viel profaner ist der heutige Beinamen Bambergs "Traumstadt der Deutschen".  
Thessalicis Tempe non potiora dedit. Den Thessalikern [6] gab das Tempetal [7] nichts Besseres.
Oblectat cunctos variis urbs inclita rebus, Es ergötzt alle die berühmte Stadt mit ihren vielfältigen Gaben.
Indigenis praebet corpora sana suis, Den Einheimischen gewährt sie gesunde Leiber.  
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Huic montes celebri sunt fertilitate scatentes, Sie besitzt Hügel [8], die glänzen vor vielgerühmter Fruchtbarkeit
Cum fructu pariter possidet omne decus. Und mit der Frucht besitzt sie zugleich jegliche Zierde.  
Labuntur fontes pulchris ex montibus, illic Es springen Quellen [9] von schönen Hügeln [10], dort  
Castalides potant vix meliora Deae Trinken die kastalischen Göttinnen [11] kaum Besseres,  
Insuper et laetos spectabis collibus hortos obendrein kann man üppige Gärten [12] auf den Hügeln erblicken,  
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Hesperidumque hortis nobilitate pares. den Gärten der Hesperiden [13] an Vortrefflichkeit gleich.  
Provenit hic Cereris permagnaque copia Bacchi, Es kommt hier die übergroße Fülle der Gaben der Ceres [14] und des Bacchus [15] hervor,
Ruricolis complent horrea plena suis. ihren Bauern füllen sie reichlich die Scheunen.  
Exhilarat flumen mirum, quod dividit urbem, Es erheitert ein wunderbarer Fluß [16], der die Stadt teilt,
Haec manet in partes dissita nunc triplices, diese bleibt nun in drei Teile geteilt
  
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Atque quaterna sedet per aquas sic insula nata, und auf diese Weise viermal durch das Wasser entstanden liegt da je eine Insel [17],
Et proprium quaevis insula nomen habet. und einen eigenen Namen hat jede Insel.
Bamberg, Fischere (Klein-Venedig)
"Exhilarat flumen mirum, quod dividit urbem..." (Vers.43; Übersetzung: "Es erheitert ein wunderbarer Fluss, der die Stadt teilt...) - Der Blick über den linken Regnitzarm auf die Fischerei, genannt "Klein-Venedig", ist einer der größten Anziehungspunkte Bambergs.
Pontibus ex binis lintres spectantur in undis, Von zwei Brücken aus kann man Kähne auf den Fluten sehen,
Mercibus has onerant, his animos refovent. diese beladen sie mit Waren, mit denen beleben sie die Herzen neu.
Non procul et Moganus pariter discurrit ab urbe, Nicht fern von der Stadt fließt auf gleiche Weise der Main,
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Piscibus haec urbem flumina grata replent. mit Fischen füllen diese angenehmen Flüsse die Stadt.
Delicias omnes illuc natura reduxit Alle Genüsse hat die Natur dorthin gebracht,
Et nihil huic desit, quod recreare queat. Und nichts fehlt dieser, was erfrischen kann.

Übersetzung: Kaiser-Heinrich-Gymnasium Bamberg, Klasse 10 a (Schuljahr 2001/2002)
Quelle:
BAUER, L.: Bamberg. Lindauers lateinische Quellen; lokalhistorische Texte. München: Lindauer, 1984; S. 13-15.


Anmerkungen:
[1]
Kaiser Heinrich:  
Heinrich II., Heiliger König/ Kaiser (geb. 973, gest.1024), der letzte Herrscher  des sächsichen  Kaiserhauses , Gründer des Bistums in Bamberg.

[2]
  laeta sepulcra (Seligkeit verheißende Grabstätten):
Egloffstein spielt hier möglicherweise rückblickend auf die Gräber der Bistumsheiligen an:
   Hochgrab des heiligen Kaiserpaares Heinrich und Kunigunde im Bamberger Dom
   Hochgrab des heiligen Otto in der Michelskirche
[3]
munera digna (würdige Geschenke):  
Hiermit ist der Domschatz gemeint, der im Diözesanmuseum aufbewahrt wird. Besondere Kostbarkeiten aus der Zeit Heinrichs sind:
   Die so genannten Kaisermäntel: wertvolle Gewänder, die Heinrich und Kunigunde dem Dom schenkten, darunter der Sternenmantel, den Heinrich um das Jahr 1020 von einem apulischen Fürsten erhielt.
   Liturgische Geräte: Ein großer Teil dieser Schätze wurde bei der Säkularisation in die Königsstadt München entführt, verkauft oder eingeschmolzen, um das Edelmetall zu gewinnen.
   kostbarste Handschriften, darunter die Bamberger Apokalypse und das Perikopenbuch Heinrichs II.
   ein Nagel vom Kreuz Jesu, der heute noch als heiliger Nagel in der Nagelkapelle des Domes aufbewahrt wird.









[4]
Bischof:   
von griechisch episkopos = Aufseher, Hüter, Beschützer: der leitende Geistliche in einem Bezirk (= Bistum); ihm unterstehen die Pfarrer als Leiter der kirchlichen Gemeinden.
episkopos




[5]
Bei der Übersetzung gehen wir davon aus, dass "Caesar" Vokativ ist.  
Angesichts der sprachlichen Besonderheit der Verse 27/28 sind wir für andere Übersetzungsvorschläge dankbar.
Adresse: webmaster@Apfelweibla.de


6]
Thessaliker:  
Volk aus Thessalien; Thessalien ist ein besonders fruchtbares Gebiet  in Mittelgriechenland.

[7]
Tempetal:  
berühmtes Tal des unteren Peneus  in Thessalien
[8]
Hügel:  
Die Städteplaner des Mittelalters stellten Bamberg als deutsches Rom dar. Bamberg ist demnach wie das klassische Vorbild eine Siebenhügelstadt. Bei der Aufzählung der sieben Hügel haben selbst alteingesessene Bamberger Probleme, da meist der Abtsberg vergessen wird, dem architektonische Besonderheiten fehlen.
Zu: Die sieben Hügel Bambergs






[9]
Die Hügel Bambergs gehören zu den östlichen Ausläufern des Steigerwalds. Die Keuperlehme bilden Stauhorizonte, aus denen zahlreiche Quellen entspringen, z. B. der Ottobrunnen 
[10]
vgl. Anm. 7  
[11]
Kastalia:  
heilige Quelle von Delphi, in hellenist. Zeit Sinnbild der dichterischen Begeisterung.       


[12]
Üppige Gärten:  
Bamberg ist eine Stadt der Gärtner und Häcker (Winzer):
   Die Gärtner nutzen bis heute die Terrassensande der Regnitz für den Gemüseanbau, dessen Zentrum östlich des rechten Regnitzarmes in der Hofstatt liegt, d. h. außerhalb der Inselstadt. Zahlreiche historische Gärtnerhäuser (unter ihnen das Gärtner- und Häckermuseum in der Mittelstraße) künden von der bedeutsamen gärtnerischen Vergangenheit der Stadt Bamberg.
   Alte Stadtansichten, z. B. der Zweidlerplan, belegen Weinanbau im Berggebiet von Bamberg, hauptsächlich an den Hängen des Michelsbergs. Als das Klima am Ausgang des Mittelalters kälter wurde, gab man den Weinanbau auf. Der historische Terrassengarten des Michelsbergs blieb jedoch bis heute erhalten. Das Erbe der Häcker wird noch von einigen landwirtschaftlichen Betrieben am Kaulberg aufrecht erhalten.







[13]
Hesperiden:  
Töchter das Atlas, die auf einer Insel des Okeanos einen Baum mit goldenen Äpfeln des Lebens bewachen.
[14]
Ceres:  
altrömische Göttin des pflanzlichen Wachstums
[15]
Bacchus:  
römischer Gott der Fruchtbarkeit und des Weins
[16]
flumen mirum (wunderbarer Fluss):  
Bamberg lebte schon immer mit und von der Regnitz. Sie war Wasserweg und Nahrungsquelle; ihr Wasser lieferte Wasserkraft. Die beiden Regnitzarme teilen die Stadt Bamberg auf einer Länge von 5 km in drei wesentliche historische Bezirke: die Bergstadt mit dem Dom, die Inselstadt um St. Martin und die Gärtnerstadt um St. Gangolf (nahe der heutigen Bahnlinie).




[17]
"vierfach durch das Wasser entstandene Insel" (quaterna... per aquas ... insula nata):  
Wenn man heute von der Inselstadt Bambergs spricht, meint man das von den beiden Regnitzarmen umschlossene Gebiet um St. Martin. Im Mittelalter gab es weitere Inselgebiete:
Am Kranen zweigte ein Nebenarm der Regnitz ab, der zwischen der Kapuziner- und Austraße verlief und nach der Weide (Schiffsbauplatz)  wieder in den linken Regnitzarm mündete. Das von diesem Regnitzarm umschlossene Inselgebiet wurde um 1300 "Insula Abbatis" oder Abtswörth (Wörth = Insel) genannt, weil es Einflussgebiet des Michelsberger Abtes war.
Am Schillerplatz gab es eine weitere Insel, den Zinkenwörth, gebildet vom linken Regnitzarm und dem Stadtgraben.
Die vierte größere Insel war wohl die Geyerswörthinsel, auf der Bischof Ernst von Mengersdorf (1583-1591) ein Sommerschloss mit Garten errichtete; durch die Nähe zum Wasser erfüllte es auch die Funktion eines Wasserschlosses, das nur über eine Brücke erreichbar war. Heute ist in dem Schloss das Rathaus Geyerswörth (Sozialamt) untergebracht. - In unmittelbarer Nähe befindet sich in der Geyerswörthstraße 3 das Fremdenverkehrsamt (Tourismus- und Kongress-Service, www.tourismus.bamberg.de); hier kann man sich den Schlüssel für den Geyerswörth-Turm ausborgen, von dem aus man einen atemberaubenden Blick auf die Altstadt von Bamberg genießen kann.
Beim Öffnen des Geyerswörth-Turmes
Beim Aufschließen des Geyerswörth-Turmes mit einem überdimensionalen Schlüssel fühlt man sich wie ein Türmer bei der Arbeit...