Dompropstei
Dompropstei  
(Bamberg, Domstraße 5)
Mittelrisalit am Südflügel der Dompropstei
Wenn man das Portal Domstraße 5   durchschreitet, gelangt man in einen großen, rechteckigen Innenhof und erblickt auf der gegenüber liegenden Seite ein barockes Portal mit zwei Inschriften und zwei Wappen, die einiges über das Gebäude, die Bamberger Dompropstei, [1] erzählen...
Am Montag , den 08.07.2002 hatten alle am "Apfelweibla.de-Projekt" beteiligten Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, ihre Arbeit dem Bayerischen Rundfunk vorzustellen. Nach einigen Filmaufnahmen in der Judenstraße begaben wir uns gemeinsam zur so genannten Dompropstei auf dem Domberg. Dort befinden sich an einem Portal zwei Wappen, unten das Wappen der Reichsfreiherrn Greiffenklau zu Vollrads, oben das der Grafen von Sickingen.
Wappen der Freiherrn von Greiffenklau
Das Wappenbild der Herren von Greiffenklau zeigt eine Lilienhaspel, die in der Heraldik auch als Karfunkel, Kleverad, Glevenrad oder Zepterrad geführt wird. Die Lilienhaspel ist ein Relikt aus vorheraldischer Zeit und stellt ursprünglich metallische Verstrebungen zur Stabilisierung des Schildes dar - vielleicht ein Hinweis auf das Alter des Adelsgeschlechtes! Als Helmzier dient bei den Greiffenklaus der Fang (Fuß) eines Greifen.
Über dem Greiffenklau-Wappen befindet sich eine lateinische Inschrift, die uns einiges Kopfzerbrechen bereitete:
Dompropstei: Inschrift für Franz Friedrich von Greifenklau
Die Inschrift ist sehr gut zu lesen und enthält in den roten Buchstaben ein Chronogramm  das wir - mittlerweile geübt - schnell entschlüsselten:
ISTAS FVNDITVS EREXIT
FRANCISCVS FRIDERICVS LIB. B. A. GREIFENGLAV
IN VOLRATHS CANONICVS BABEBERGENSIS.
Wir ermittelten als Zeitpunkt der Fertigstellung der Dompropstei das Jahr 1706:
DD   CCCCC   LLL   X   VVVVV VV IIIII IIIII I
= 2 x 500 + 5 x 100 + 3 x 50  +  1 x 10  + 7 x 5  + 11 x 1  =
= 1000     +   500      +  150     +  10        +   35     +  11  =  1706
Übersetzung:
Diese [Häuser]   hat von Grund auf errichtet Freiherr [2] Franz Friedrich Greifenglau [3] zu Volraths, [4] ,  Domherr zu Bamberg. [1706]
Das auf Dachhöhe angebrachte Wappen der Grafen von Sickingen ist aufgrund seiner Klarheit sehr markant:
Dompropstei: Wappen der Reichgrafen von Sickingen
Fünf weiße Kreisen (oder Lebkuchen?) zieren das Wappen der Herrn von Sickingen.
Über die Bedeutung der fünf weißen Kreise klärt uns eine amüsante Wappenlegende auf:
Der Ort Sickingen liegt im Kraichgau zwischen Karlsruhe und Heilbronn; das Dorf ist heute mit Flehingen zusammengebaut, und schon früher bestanden enge Beziehungen. Die Geschlechter von Sickingen und Flehingen waren Stamm- und Waffengenossen. Eine Volkssage erzählt, wie beide Orte zu ihrem Namen kamen und wie das Sickinger Wappen entstand. Zwei Brüder des Sickinger Adelsgeschlechtes stritten sich um die Herrschaft auf der Stammburg. Sie trugen ihren Streit in einer Schneeballschlacht aus; der Sieger durfte bleiben, und der Ort erhielt den Namen Sickingen; der Verlierer musste in den Nachbarort fliehen, der seitdem Flehingen heißt. Im Wappen der Sickinger befinden sich folglich als Zeichen ihres Triumphes fünf Schneebälle.  
Dompropstei: Inschrift für Wilhelm Reichsgraf von Sickingen
WILIELMUS SRI COMES A SICKINGEN
ECCLES EYSTET BAMB CATH WIRCEB CANONI
SACRAECESAREAEMAIFS CONSIL INTIM ACT
RESTAURAVIT
MDCCLXXV
Schon beim ersten Betrachten der Inschrift  auf dem Domberg war uns aufgefallen , dass diese sehr viele Abkürzungen enthält. Als später die Wappen der Dompropstei im Computerraum in Gruppenarbeit näher unter die Lupe genommen wurden, beschäftigten sich die Vertreter der Klasse 9a mit den Abkürzungen der Inschrift unter dem Sickinger-Wappen. Wir stellten fest, dass ihre Entzifferung gar nicht so einfach war. Mit Hilfe einiger Nachschlagwerke für lateinische Inschriften im Internet, konnten wir aber etwas Abhilfe schaffen. Die gesamte Inschrift lautet vermutlich:
WILIELMUS S[ACRI] R[OMANI] I[MPERII] COMES A SICKINGEN
ECCLES[IAE] EYSTET[ENSIS] BAMB[ERGENSIS] CATH[EDRAE] WIRCEB[URGENSIS] CANONI[CUS]
SACRAE C[A]ESAREAE MAIES[TATIS] CONSIL[IARIUS] INTIM[US] ACT[UARIUS]
RESTAURAVIT
MDCCLXXV
Dabei bedeutet SRI "Heiliges Römisches Reich" (Sanctum Romanum Imperium; hier im Genitiv); ECCLES steht für "Kirche" (Ecclesia): CATH bedeutet "Bischofssitz" (cathedra),  und CANONICUS ist die Bezeichung für einen Domherren (Domkapitular). Das SACRAECESAREAEMAIFS ist wohl verdorben und muss wohl heißen "SACRAE CAESAREAE MAIES[TATIS] ("der heiligen kaiserlichen Majestät") , also ist das schwer deutbare F in der Inschrift ein E. ACT deuten wir als  "ACTUARIUS" (Geschäftsführer, öffentlicher Schreiber) und CONSIL[IARIUS] INTIM[US]  ist die Bezeichnung für einen "innigsten Berater", einen Geheimrat. Die Möglichkeit, "intimus" auf "actuarius" im Sinne eines Privatsekretärs zu beziehen, verwerfen wir, weil "consiliarius intimus" ein vielfach gebrauchter Terminus war, der gewöhnlich mit Geheimrat übersetzt wird.

Die Übersetzung lautet also:
Wilhelm von Sickingen, [5]   Graf des Heiligen Römischen Reiches, [6]  Domherr der Kirche von Eichstätt und  Bamberg und des Bischofssitzes von Würzburg, Geheimrat seiner Heiligen Kaiserlichen Majestät und Geschäftsführer hat [dieses Haus] wiederhergestellt im Jahre 1775.

(7/2002, Ergänzungen 1/2003 und 4/2003)
Tina Herbst und Thomas Filkorn (9 a)
Larissa Müller-Bergh u. Ulrike Schulz (10 a)


Anmerkungen:  
[1]
Ein Dompropst ist der Vorsteher eines Domkapitels (vgl. lat. propositus = Vorgesetzter). Der derzeitige Bamberger Dompropst ist Weihbischof Werner Radspieler.
[2]
Abkürzung LIB. B. A.  
In Lexika und auch im Internet findet man für LIB entweder libra (lat. Bezeichnung für Waage, vor allem für das Sternbild Waage) oder liber (lat.: das Buch). Beides ergibt hier keinen Sinn. Am besten erschien uns librarius (lat.: der Rechnungsführer). Der Zusatz B. A. könnte demnach Bambergensis aerarii bedeuten. LIB. B. A. wäre also der "Rechnungsführer des Bamberger Fiskus". Falls es sich dabei um einen gewichtigen Titel handelte, wäre es verständlich, dass dieser im Namen zwischen "Franz Friedrich" und "Greifenglau" untergebracht wurde. Vgl. hierzu die Stellung von "comes" bei der Inschrift des Wilhelm Graf von Sickingen!  
Nach langem Suchen erkannten wir, dass die Inschrift einen Fehler enthält: Die Abkürzung zeigt einen Punkt zu viel. Es muss korrekt heißen: LIB. BA. (statt LIB. B. A.); bei DEMANDT (1974) findet man zwei Wörter, die zu dieser Abkürzung passen: Liber baro (= Freiherr, Baron), früher gewöhnlich mit L. B. abgekürzt. Wie bereits erwähnt, wird auf Grund der Wortstellung für LIB. BA. ein Adelstitel erwartet, der hiermit gefunden ist.
Die Vokabel "baro" hat einen interessanten Bedeutungswandel erfahren, wie ein Blick in das Wörterbuch zeigt:
Georges: baro, onis, m.-  I. der Tölpel, II. Mietsoldat
Stowasser: I. dto,  II. Baron (Adelstitel, bes. in England) ML
Niermeyer: baro ... (germ.): 1. Mann; 2. Höriger; 3. Freier; 4. Vasall; 5. plural  barones - die Großen des Königreichs; 6. barones - die Großen eines Landes; 7. Baron, Obergerichtsherr; 8. barones - die Großen, die reichen Vollbürger einer Stadt; 9. berühmter Mann.
Zu der Frage, wie aus einem "Tölpel" ein Baron o. Freiherr wird, äußert sich KLUGE (1995, S. 82):
"Baron m. erw.(eiterter Standardwortschatz) 'Freiherr' (< 12.Jh.). Zunächst ist mhd. barun entlehnt aus frz. baron (eigentlich 'freier Mann, Lehensmann', meist von höherem Rang). Das Wort ist dann im Deutschen ausgestorben, und im 16. Jh. erneut als Adelstitel entlehnt worden. Femininum: Baronin; dazu diminutiv Baronesse.
Die Herkunft des französischen Wortes ist umstritten. Seine früheste Bezeugung im 6./7. Jh. weist auf  'Söldner, Lehensmann'. Man hat dahinter ein germanisches Wort gesucht, ohne ein klares Vorbild ausmachen zu können. Neuerdings wird ein Anschluß an l[at]. varo, baro 'grobschlächtige Person' zu l[at]. varus 'verwachsen, x-beinig' versucht. 'Grobschlächtig' hätte zunächst eine Bezeichnung germanischer Söldner sein können, die mit deren sozialem Aufstieg zu einem Ehrennamen wurde. - ..."

































[3]
Die Schreibweisen für Greiffenklau   variieren stark. Die Variante "Greifenglau" enthält ein G anstelle des K und entspricht der weichen fränkischen Aussprache harter Laute. Die häufig gebrauchte Schreibweise "Greiffenclau" wollte der Autor jedenfalls vermeiden, denn das C hätte noch einen weiteren, jedoch unnötigen Hunderter zum Chronogramm beigetragen.

[4]
Volraths,   heute üblicherweise Vollrads geschrieben, ist der Stammsitz der Herren von Greiffenklau. Heute ist es ein berühmtes Weingut im Rheingau (Hessen); es gehört zur Stadt Oestrich-Winkel und liegt nur wenige Kilometer östlich von Rüdesheim. Der Ortsname "Vollrads" leitet sich vermutlich von einem Eigennamen ab, denn schon 1218 wurde ein "Vollradus in Winkela" erwähnt. Die Familie der Greiffenklaus wohnte ursprünglich (mindestens seit 1097) in Winkel, wo sie das "Graue Haus" besaß, das als ältestes Stein-Wohnhaus Deutschlands gilt. - Das Geschlecht der Freiherrn von Greiffenklau erlosch 1997, als sich Erwein Graf Matuschka-Greiffenclau offenbar wegen der ausweglosen Verschuldung seiner Güter das Leben nahm. Schloss Vollrads ist heute im Besitz der Nassauischen Sparkasse.
Das Geschlecht der Greiffenklau zu Vollrads stellte etliche Erzbischöfe von Mainz und Trier und Fürstbischöfe von Würzburg; am meisten wird aber heute noch des Bamberger Domherrn Franz Friedrich von Greifenklau gedacht, gründete er doch 1719 die am Laurenziplatz ansässige Brauerei Greifenklau!












[5]
Sickingen  
Der bekannteste Vertreter des Geschlechtes war Reichsritter Franz von Sickingen (1481-1523), der den Mittelrhein in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts mit zahlreichen Fehden überzog, von Ulrich von Hutten für die Reformation gewonnen wurde und danach Trier bekriegte, wohl um nach der Säkularisation des Erzbistums säkularer Herrscher des Kurfürstentums zu werden. (Aus unserer Sicht  zog er pikanterweise gegen den Trierer Erzbischof Richard von Greiffenklau!) Er starb an einer Verwundung, die er bei der Belagerung seiner Burg erlitten hatte. - Das Geschlecht erlosch 1834 mit dem Tod des unverheirateten Reichsgrafs Franz von Sickingen zu Sickingen; ein entfernter Zweig der Familie existiert noch in Österreich.








[6]
1773   erhielten die Sickinger die Reichsgrafenwürde. Voller Stolz präsentiert der Bamberger Domherr Wilhelm von Sickingen zwei Jahre später den neu erworbenen Titel.

Quellen:
DEMANDT, K. E.: Laterculus notarum. Lateinisch-deutsche Interpretationshilfen für spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Archivalien. Marburg, 1974.
Gemeinde Sauerthal [Wohnort des letzten Freiherrn von Sickingen]: http://www.loreley.de/vbglorel/gesauert.htm (letzter Seitenaufruf: 20.01.2003)
KLUGE: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearb.(eitet) von Elmar Seebold  23., erw.(eiterte) Aufl.(age) -  Berlin; New York, 1995.
NIERMEYER, J. F. u. van de KIEFT, C.: Mediae Latinitatis Lexicon minus. Überarbeitet von J. W. J. Burgers. 2., überarbeitete Auflage. Leiden; Darmstadt, 2002.
Pfarrgemeinde Flehingen - Sickingen - Zaisenhausen (Wappenlegende Sickingen): http://www.pfarrei-flehingen.de (letzter Seitenaufruf: 20.01.2003)
Schloss Vollrads: http://www.schlossvollrads.de/index2.html (letzter Seitenaufruf: 20.01.2003)
STOWASSER: Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch von J. M. Stowasser, M. Petschenig und F. Skutsch. Gesamtredaktion: Fritz Losek.  München, 1994.
Your online encyclopedia resource: Franz von Sickingen (Biographie). http://8.1911encyclopedia.org/S/SI/SICKINGEN_FRANZ_VON.htm (letzter Seitenaufruf: 20.01.2003)